Heute ist der 15.12. und gestern sind wir in Guadeloupe in der Karibik an Land gegangen und – Überraschung – wieder in der EU gelandet (nachdem diese Insel zu Frankreich gehört)! …damit geht unsere 12-tägige Fahrt über den Atlantik zu Ende – schon vor ein paar Tagen haben wir dazu ein paar Gedanken zusammengeschrieben, was uns in dieser speziellen Zeit so alles durch den Kopf gegangen ist…

10. Dezember 2018 – mitten am Atlantik

Ja, und da sind wir nun, gestrandet auf einem Kreuzfahrtschiff! Mittlerweile ist der 10. Dezember, unser 8. Tag am Schiff, und wir sind mitten am Atlantik, d.h. mitten in der 6-Tage-non-Stopp-Fahrt über den „großen Teich“. Seit Tagen haben wir kein Schiff mehr gesehen – um uns herum nur  kleine Wellenberge, die sich in sanften Wogen zum Horizont bewegen, immer wieder eine faszinierende Aussicht diese Weite und scheinbare Unendlichkeit des Ozeans um uns herum!

Nachdem unser Schiff – die Costa Magica – am 1. Adventsonntag, den 2. Dezember, vom Marseiller Hafen ausgelaufen ist, hat es noch 2 Stopps in Europa gegeben, bevor es auf das offene Meer hinausging.

Malaga (Spanien) – 1. Stopp auf der Kreuzfahrt

Als erster Hafen wurde am 4. Dezember Malaga (Spanien) angesteuert. Nachdem Samuel noch immer dabei war, seine hartnäckige Verkühlung auszukurieren, bin ich (Julia) an diesem Tag alleine an Land gegangen. Nach ein paar Erledigungen habe ich mich – ohne bestimmtes Ziel bzw. Route – etwas durch die Stadt treiben lassen und den spätsommerlichen mediterranen Flair auf mich wirken lassen. Immer wieder schnappe ich ein paar spanische Wortfetzen auf und freue mich, wenn sich etwas davon schon in meinem kleinen Wortschatz befindet!

 Santa Cruz (Teneriffa) – 2. Stopp auf der Kreuzfahrt

Zwei Tage später, am 6. Dezember, legen wir noch für einen halben Tag in Santa Cruz (Teneriffa) an. Das Wetter ist trüb und die Stadt macht keinen einladenden Eindruck mit den vielen lieblos-aneinandergereihten Hochhäusern. Wir spazieren etwas durch die Stadt, machen es uns dann aber lieber in einer Bäckerei gemütlich, bevor es wenig später wieder an Bord ging.

Die Kreuzfahrt – unsere Erfahrungen

Ja, und was können wir euch von unseren Erfahrungen mit der Kreuzfahrt erzählen? Im Vorfeld war es ja bereits ein spannender Prozess, bis die Wahl – schlussendlich aufgrund des doch massiven Preisunterschieds zur Frachtschiff-Variante – auf die Kreuzfahrt gefallen ist. Warum auch nicht? Uns geht es allen voran um ein langsames Reisen und darum, den Weg mitzunehmen bzw. die Distanz zu spüren. Wie fühlt es sich an, tagelang vom Meer umgeben zu sein? Dass wir dabei auch noch die Erfahrung mitnehmen, auf einem schwimmenden Konsum-Tempel unterwegs zu sein, war ein nicht geplanter Nebeneffekt, aber auch diese neue Erfahrung heißen wir willkommen.

Schnell stößt hier am Kreuzfahrtschiff alles auf eine innere Ablehnung bei uns – es ist eine Welt, gemacht um die Kühe in Menschengestalt zur „All-you-can-eat“-Tränke zu führen und die meiste Milch in Form von Geld aus ihnen zu melken. Vieles von dem, was nicht zum „all-you-can-eat“-Überleben notwendig ist kostet Aufpreis und die Kuriosität des Angebots scheint grenzenlos zu sein. So werden beispielsweise Workshops der besonderen Art angeboten: „Verliere in 50 Minuten bis zu 20 cm Bauchumfang“ oder ein sogenannter „Transformations-Workshop“: „Beginne ein neues Leben durch einen neuen Look“. Daneben locken über diverse Kanäle (Lautsprecherdurchsagen, Hinweise in der täglichen Bordzeitschrift, Flyer) laufend verschiedenste einmalige Sonderangebote mit bis zu -80% der diversen Shops und aufgebauten Stände an Bord. Viele der fast 3.000 Gäste hier – ja, wir sind fast voll besetzt und es gibt zu unserer Überraschung tatsächlich so viele Menschen, die sich mit Hin- bzw. Rückflug auf eine one-way Atlantiküberquerung begeben um in diesem goldenen Käfig zu konsumieren – wirken auf uns mehr „benebelt“ vom Dauerkonsum und dem ständigen Essen & Trinken und wenig glücklich. Es zeigt sich uns eine besondere Seite des Menschsein, die wir in so geballter Form noch nicht wahrgenommen haben… Die Angestellten am Schiff – viele von den Philippinen, aber auch aus Mittelamerika – wirken ehrlich freundlich auf uns und das, obwohl sie 7 Tage die Woche für eine Dauer von bis zu 9 Monaten ohne Pause durcharbeiten. Sie leben in kleinen 2er-Kabinen ohne Fenster und die Schichten dauern zwischen 12 und 14 Stunden.

Es ist eine Welt für sich so ein Kreuzfahrtschiff, eine Welt der Superlative. 2 Jahre, in denen 24 Stunden am Tag gearbeitet und 27.000 Tonnen Stahl verbaut werden, dauert es bis so ein Schiff fertig ist. Die Costa Magica verbraucht im Vollbetrieb so viel Strom wie eine 50.000-Einwohnerstadt. Erzeugt wird der Strom – der auch die Turbinen antreibt – über Dieselgeneratoren. Diese benötigen bei einer durchschnittlichen Fahrgeschwindigkeit von 18-20 Knoten (ca. 35-40 km/h) 180 Tonnen Diesel in 24 Stunden. Jeglicher Bezug fehlt uns zu diesen absurd-hohen Zahlen. Es steigt ein Gefühl der Ratlosigkeit auf und die Frage, ob das tatsächlich alles so sein muss – könnten wir nicht längst mit anderen Technologien und Lösungen mobil sein, oder unter anderen Bedingungen arbeiten, wenn sich die Fixierung der Menschheit vom Geld lösen würde?

Ja, die innere Ablehnung hat uns in diesen Tagen auf See doch sehr beschäftigt. Noch skurriler und „geballter“ als gedacht ist diese Erfahrung, sind wir doch 24-Stunden am Tag auf dieser voll-belegten schwimmenden Hotelburg. Wir fühlen uns seltsam fremd hier und beobachten an uns, wie schnell uns doch immer wieder dieses Urteilen passiert und sich Widerstand gegen das hier Erlebte/Gesehene aufbaut. Wir beobachten aufmerksam unsere Gedanken und möchten den Denkmustern und Glaubenssätzen, die laufend zum Interpretieren und Urteilen verleiten, nicht anhaften. Widerstand führt zu nichts und bringt niemandem etwas, am wenigsten uns selbst. Stattdessen versuchen wir, allem in dieser für uns so „fremden Welt“ unvoreingenommen und mit Liebe zu begegnen. Liebe zu jedem einzelnen Menschen, der uns Spiegel und Gefährte ist, Liebe zu diesem Schiff, das uns bei dieser Überstellungsfahrt über den Atlantik bringt, Liebe zu unserem ökologischen Gewissen, das uns bewusst konsumieren und auswählen lässt, Liebe zu uns selbst, die wir immer wieder erkennen und lernen dürfen. Es ist wahrscheinlich der einzig ehrliche Beitrag, den wir leisten können – dieses Gefühl und Mindset in uns selbst zu etablieren. Und gerade in einer Umgebung wie dieser, merken wir wie entscheidend es ist, uns immer wieder aufs Neue zu reflektieren. Das Gute daran ist, man braucht niemand anderen dazu! Aber die Verantwortung lässt sich auch nicht an andere abgeben 😉.

…unsere „Oase“ ist in diesen knapp 2 Wochen unsere geräumige Kabine auf Deck 2. Sie ist uns Rückzug und wenn wir hier sitzen und lesen, schreiben oder Hangspielen sind wir in unserer ganz eigenen Welt. Wir haben Blick aufs Meer, können vom Bett aus den Sonnenaufgang beobachten und es ist auch genug Platz für die Yogamatte. Das Bett ist bequem, die Dusche super und es ist ruhig hier 😊! Überall sonst gibt’s nämlich Dauerbeschallung, ob man will oder nicht 😉.

Diese langen, zeitlosen Tage auf See ohne Kontakt zur Außenwelt in Form von Internet & Co. tun gut! Die schrittweise Zeitumstellung ist ebenfalls sehr entschleunigend – wir drehen an vielen Tagen die Uhr eine Stunde zurück und die Luft wird mit jedem Tag wärmer. Es gibt kein fixes Programm, wir müssen uns um nichts kümmern und können sehr nach Impuls tun oder nicht-tun. Die Weite des nach allen Seiten endlos scheinenden Ozeans berührt auf schöne Weise – das Blau des Wassers und der Gang der Wellen nehmen immer neue Formen und Farben an. Die Wolken hängen oft wie Wattebausche am blauen Himmel und wir haben jeden Tag viel Sonne. In der Nacht ist es stockdunkel, keine Konturen zeichnen sich zwischen Meer und Himmel ab und wir fühlen uns dem Weltraum ganz nah. Und wenn uns dann klar wird, dass wir ja permanent von dieser Ewigkeit umgeben sind, fällt viel von der eignen Wichtigkeit ab. Der Wellengang ist ruhig und das Schiff schaukelt nur sehr sanft – von Seekrankheit keine Spur 😊. Wir genießen es, diesen Weg so langsam zu nehmen und doch denken wir, dass diese Kreuzfahrt eine „once-in-a-lifetime“ Erfahrung bleiben wird 😊.

Heute, 15.12.2018

….nach einem letzten Stopp auf der – ebenfalls französischen – Karibikinsel „Martinique“ vorgestern, sind wir gestern an Land gegangen. Jetzt genießen wir erstmal das viele GRÜN, das ist uns nämlich schon sehr abgegangen in den letzten Tagen auf See! 😊

Alles Liebe aus Guadeloupe

PS.: Ein Buchtipp für all jene, die Lust auf eine Atlantik-Abenteuergeschichte haben: „Tosende Stille“ von Janice Jakait: Eine deutsche Frau ist vor ein paar Jahren in mehreren Monaten in einem Ruderboot von Europa in die Karibik gerudert, dieses Buch ist ihr Erfahrungsbericht dazu – sehr spannend zu lesen und beim Blick aufs Meer in diesen letzten Tagen mitten auf offener See musste ich doch mehrmals daran denken, wie es sich wohl so angefühlt hat, hier monatelang wie eine kleine Nussschale auf dem unendlichen Ozean zu treiben…