Wir sind seit gut 2 Wochen auf Dominica und voll in die Zeitlosigkeit eingetaucht. Es ist tatsächlich sehr speziell hier, ganz anders als alles andere, was wir bisher bereist haben. Es ist die grüne, gebirgige Insel mit Regenbögen und viel Freiheit. Die Menschen hier leben sehr bescheiden, „take it easy“ hören wir immer wieder von den lachenden Gesichtern der Menschen, die uns zuwinken. Sie lieben ihre Insel und ihr Leben, sie schützen ihre Umwelt und haben es nach dem Hurrikan „Maria“ (Sept. 2017) nicht leicht, alles wieder aufzubauen. Viele Häuser haben noch provisorische Dächer aus Planen und es haben auch einige der 70.000 Einwohner die Insel verlassen, nachdem sie ihr Haus verloren haben.

Wir sind hier an einem echten Traumplatz gelandet, von dem aus wir diese letzten 2 Wochen Revue passieren lassen! Das Meeresrauschen und die Stimmen der Nacht – in Form von Grillenzirpen, Froschlauten und vielem anderen, das sich nicht identifizieren lässt – dringen vom Strand und der Küste, aus dem Wald und dem Garten zu uns herauf. Wir liegen im Bett, schauen durch das große offene Fenster in die Nacht und in den Sternenhimmel. Wir spähen hinaus in die Unendlichkeit, fühlen uns geborgen, daheim, angekommen in diesem Augenblick. Dankbarkeit, das hier und jetzt in dieser Form zu erleben, wie wundervoll alles um uns herum und in uns selbst ist!

Dominica macht etwas mit uns. Es lässt uns eintauchen in eine Zeitlosigkeit und Entspanntheit…

…die wir so schon lange nicht mehr wahrgenommen haben, ein Stück weit auch vergessen und instinktiv vermisst haben. Es ist so friedlich hier, so grün, so überschaubar und vielfältig zugleich. Die Menschen sind besonders hier, so ganz anders als irgendwo sonst wo wir bisher waren. Weiße gibt es nur wenige und sobald wir den Menschen – die auf einem bemerkenswerten Weg sind, ihr Trauma der Sklaverei und ihren daraus entstandenen Rassismus gegenüber den Weißen zu überwinden – mit Aufmerksamkeit, auf Augenhöhe und mit Offenheit begegnen, entstehen innerhalb kürzester Zeit tiefergehende Gespräche und wir können viel lernen von diesen Menschen, die in einer materiellen Bescheidenheit, ja fast Besitzlosigkeit, die Zusammenhänge des Lebens verstehen, Überlebenskünstler mit Freude sind, und ihr Dasein und ihr Zuhause, diese fruchtbare Insel, lieben.

Wir denken an Hilary, der in der malerischen Bucht von Scott’s Head den Strand sauber hält. Er arbeitet von Montag bis Freitag, sammelt angespülten Müll, hängt Müllsäcke auf und sorgt dafür, dass sich die wenigen Besucher hier wohlfühlen. Niemand beauftragt ihn, keiner bezahlt ihn dafür. „I work for a clean and nice beach here, but I get paid later!“ lässt er uns wissen. „I go snorkelling with the people, show them the best spots, go out with the boat to see the whales and dolphines and I am a hiking guide. People come because nature is so beautiful here. If the beach is not clean, people won’t come anymore.“ Ausbildung, Zertifikate, Lizenzen, das alles hat Hilary nicht und braucht er auch nicht. Er holt frische Mandeln aus seinem Garten, die er für uns knackt. Er teilt sein Essen mit uns und zeigt uns den kleinen versteckten Stand mit den besten Akras (frittierte Fischbällchen) im kleinen Dorf. Er gibt uns Tipps, was es auf der Insel zu erkunden gibt und teilt seine Highlights mit uns. Wir haben eine echt gute Zeit zusammen am Strand. Und klar geben wir ihm etwas von unserem Geld – für die besten Mandeln die wir je gegessen haben, für seine wertvollen Informationen, für diese gute Zeit – als Form von dem, was wir in diesem Moment geben können, für das, was Hilary uns gegeben hat. Ohne Stress, ohne Zwang, ohne dass wir je das Gefühl haben als Touristen ausgenommen werden. Keiner will das Meiste vom anderen rausholen und doch passiert genau das: Hilary und wir holen das Beste, das Meiste aus uns heraus, sind großzügig und gönnerhaft und erhalten mehr, als wir uns gewünscht hätten. So oder so ähnlich muss das mit der bedingungslosen Liebe funktionieren: Sie wird einfach immer mehr, je mehr man davon gibt!

Oder nach dem Energieerhaltungssatz: „Energy in = Energy out“, dh. die Qualität, die wir hineinlegen – in eine Begegnung zum Beispiel – kommt auch wieder zurück!

Weil es letztlich dasselbe ist.

Diese Art der Begegnung haben wir nicht nur mit Hilary. Wir erinnern uns auch an Robert und seinen 4-jährigen Sohn Jamal aus dem „Kalinago Territory“ – einem Gebiet der Insel, das den letzten Ureinwohnern der Karibik (den Kariben) gehört und in dem heute ca. 3.000 Einwohner leben. Robert hat kein Auto und stoppt jeden Tag mit Jamal in den Kindergarten und holt ihn von dort auch wieder per Autostopp ab. Wir nehmen Robert mit zum Kindergarten und bringen die beiden nachhause zurück. Robert ist so dankbar, dass er uns noch einen besonderen Küstenabschnitt zeigt: „L’Escalier Tête-Chien“, zu dem es die Legende einer Riesenschlange, die aus dem Meer kam, gibt. Er besorgt für uns die typischen „Coco-Sticks“, eine Kakaomasse in Form einer Zigarre, mit der man eine heiße Schokolade machen kann, und von denen es nach dem Hurrikan, der viele der Kakaobäume zerstört hat, nicht mehr so leicht welche zu finden gibt. Er teilt mit uns eine „sweet sop“ (deutsch: Zimtapfel) – eine der besten Früchte, die wir je gegessen haben, eine Mischung aus Ananas, Mango, Maracuja und etwas Orange mit einer unbeschreiblichen schneeweißen Konsistenz, die einfach nur Lust macht, reinzubeißen! Ja und da war noch Luke vom schönen „Batibou Beach“, Philipp der uns tief im Dschungel den Weg zu einem wunderschönen Naturpool zeigt, in dem wir fernab der Zivilisation nackt baden und dem Fluss lauschen.

Und da waren auch Moses und seine Enkelkinder, mit denen wir 2 Tage gelebt und musiziert haben: Das waren spezielle 2 Tage in einem Flusstal, im Kreise einer Familie, die Vieles mit dem Hurrikan verloren hat und die so ambivalent auf uns wirkt, dass wir uns schwer tun es zu beschreiben – Faszination für diese so andere Form des Lebens und doch nicht ganz stimmig mit den umgebenden Energien. Fein, dass Noell aus Washington auch zu Gast war und ihr Zelt hier aufgeschlagen hat!

Ähnlich geht es uns mit unseren ersten 5 Nächten auf Dominica bei Robin & Aaron aus Texas, die mit Ayran aus den Niederlanden eine Selbstversorgerfarm für eine größere Gemeinschaft aufziehen wollen. Wir sind hier als Couchsurfer. Die Farm hat keine Adresse, die Straße muss erst Stück für Stück mit Steinen aus dem Flussbett gelegt und mit selbstgemischtem Zement aufgebessert werden. Strom gibt es nur wenig aus den Solarzellen am Dach. Der Garten ist üppig und wenig gebändigt, viele Beete befinden sich noch im Anfangsstadium. Wir ernten Grapefruits, Papaya, Erbsen (sogenannte „Pigeon Pees“) – von einem Baum! -, Salat und Kräuter. Der Hurrikan hat auch hier gewütet, Aaron und Ayran haben ihn hier auf ihrer Farm erlebt: 20 Minuten dauerte die Stille des Auges, die so abrupt endete, dass ihnen fast die Haustüre aus den Händen gerissen wurde, als sie wieder nach drinnen liefen. „The green was gone, you can not imagine! There were no leaves on the trees anymore…“ meint Aaron zum Zustand der Insel nach dem Hurrikan. In vielen Wäldern dieser Insel sehen wir noch immer Spuren davon, sind aber gleichzeitig erstaunt, wie schnell sich die Natur wieder erholt. Wir verbringen Silvester ganz alleine hier oben und genießen das sehr! Robin, Aaron, Ayran und „der Namenlose“ aus den Niederlanden fahren zu einer kleinen Feier auf eine andere Farm und haben nichts dagegen, als wir sagen, dass wir lieber für uns und in Ruhe den Abend verbringen wollen.

Hier im „Springhold“, wie der Platz hier von den Dreien getauft wurde – sind wir mitten in der Natur. Wenn man im nahegelegenen Fluss ein Stück im Flussbett wandert, kommt man zu einem „unregistrierten“ (dh. kaum jemand weiß davon) Wasserfall, ein echter Kraftplatz! Wir sind den Kolibris und Papageien ganz nah, genießen Sonnenuntergänge über dem Meer von der Terrasse aus (und fast täglich auch Regenbögen 😊), spielen viel Hang, ernten Gemüse, Kochen und üben uns im Müßiggang. Trotzdem passt es nach den 5 Nächten gut, weiterzuziehen…  Ayran hat während unseres Aufenthalts ein Video mit seiner Drohne aufgenommen, in dem man einen guten Eindruck dieser grünen Umgebung bekommt – klicke HIER!

Nach den 5 Tagen bei Robin & Aaron, den 7 Tagen mit dem Auto, an denen wir unter anderem auch eine wunderschöne Wanderung Richtung „Boiling Lake“ unternommen haben, sind wir nun seit 5 Tagen und noch für 4 weitere Tage am „Pointe Baptiste Estate“ im Norden von Dominica. Hier haben wir uns in einem Selbstversorger-Apartment oberhalb der kleinen (und einzigen) Schokoladen-Manufaktur der Insel einquartiert – auf einem Anwesen mit einer alten Villa und einem wunderschönen Garten, der seit 22 Jahren von der Künstlerin Michelle aus Philadelphia gestaltet und gepflegt wird. Sie verbringt mit ihrem Partner ca. 8 Monate des Jahres auf dieser auch aus ihrer Sicht noch so ursprünglichen und wenig-touristischen Insel.

Von unserem Zuhause auf Zeit kommt man außerdem in wenigen Gehminuten zu den am Grundstück angrenzenden „Black Beach“, dem „White Beach“ und den „Red Rocks“. Vom unserem „Holz-Loft“ überblicken wir all das und können in der Ferne sogar bis zu den nördlich-liegenden „Les Saintes“-Inseln und Guadeloupe sehen – es ist unglaublich schön hier! (Dass wir in dem nicht ganz billigen Dominica dafür nicht einmal € 40.-/Nacht bezahlen, haben wir glücklichen Umständen zu verdanken, mit dem Normalpreis (in doppelter Höhe) wäre es nämlich gar nicht in unser Suchschema gefallen 😊).

Wir freuen uns hier ganz für uns zu sein und genießen die hausgemachte Bio-Schokolade, die von der dominicanischen Kakaobohne bis zur Tafel unter uns hergestellt wird – täglich wachen wir mit Kakao-Röstarmomen in der Nase auf. 😉

Licht und Wärme aus Dominica,

Julia & Samuel